Das sind Gefühle, wo man schwer beschreiben kann

Ja, mir ist schon klar, dass es nur Fußball ist. Und ja, mit meinen 40 Jahren hat mich das Leben schon oft gelehrt, dass es definitiv viel, viel Wichtigeres im Leben gibt.


Und doch ist dieses Spiel, der Umgang mit den bitteren Niederlagen, das Scheitern kurz vor dem Ziel und das Wiederaufstehen auch ein Spiegelbild des Lebens – meines Lebens.

 

Ich bin seit 1996 Fan von Bayer 04 Leverkusen. Was zu Beginn der ganz einfachen Tatsache geschuldet war, dass meine drei Brüder und ich nach dem Gewinn der Europameisterschaft in England dem Fußballvirus verfallen waren und danach auf dem Sportplatz schlicht und ergreifend die damaligen ersten vier Mannschaften der Bundesliga untereinander aufgeteilt hatten, hat sich nach und nach zu einer echten Liebe entwickelt.
Der FC Bayern, Borussia Dortmund und VfB Stuttgart waren schon an meine Brüder vergeben und für mich blieb daher noch Bayer Leverkusen übrig.

 

Wo Leverkusen überhaupt liegt und was für eine Geschichte/Hintergrund der Verein hat, war mir damals alles überhaupt nicht klar. Aber nach und nach erschloss ich mir das Fußballwissen über Artikel in BravoSport und später im kicker sportmagazin, waren Ulf Kirsten, Paulo Sergio, später Emerson und Ze Roberto meine ersten Idole.

 

Es war (und ist bis heute) im Schwabenland etwas Besonderes, Fan von Bayer Leverkusen zu sein. Oftmals erntete es mitleidige Blicke und erstauntes Nachfragen, wie das denn kommt und wie man Fan von dem Verein sein kann. Meinen Spitznamen „Aspirin“ hatte ich im Sportunterreicht an der Schule schnell weg, da dies als Trikotsponsor auf dem Trikot stand. Sicherlich hat auch das dazu beigetragen, dass ich bis heute diesem Verein treu geblieben bin. In einer großen Familie irgendwie auch meine Nische suchen und da ein Stück weit gefunden.

 

In den Folgejahren habe ich das Desaster von Unterhaching miterlebt, war 2002 in Nürnberg, als am vorletzten Spieltag praktisch die Meisterschaft verspielt wurde, 2002 und 2009 bei den verlorenen DFB-Pokalfinals im Stadion live dabei; die Geburt von Vizekusen habe ich sozusagen hautnah miterlebt und miterlitten.


Und es hat auch mein Leben geprägt, war für mich irgendwie auch das Gefühl und Sinnbild meines Lebens: Zweiter Platz, der erste Verlierer, über den im besten Fall Mitleid aber noch viel mehr Hohn und Spott ausgegossen wird.
Das Stadion mit 22.500 Zuschauerplätzen irgendwie lächerlich klein, vollzubekommen sowieso nicht möglich und ein Verein ohne scheinbare Tradition.

 

Aber so wie ich mich in den letzten 28 Jahren weiterentwickelt und dazugelernt habe, wie inzwischen manches falsche Denken über mich selbst und manche Wunde verheilt ist, so hat sich auch dieser Verein weiterentwickelt. Durfte ich in den Jahren entdecken, dass es eben doch eine große und beeindruckende Tradition gibt (Danke, Rüdiger Vollborn!) und dass es überhaupt keinen Grund gibt, sich zu verstecken oder klein zu machen.
Sondern selbstbewusst zu sich zu stehen und seinen Weg zu gehen. Ja, es gab schmerzhafte Niederlagen, die bis heute weh tun und deren Bilder ich nur schwer anschauen kann.

 

Aber dieses Jahr ist es irgendwie anders. Dieses Jahr sind wir dran, haben Großes im Blick.

 

Auch wenn ein kleiner Restzweifel noch da ist, gibt es in mir den Glauben an Meisterkusen oder gar Doublekusen und möchte ich die Erfüllung eines großen Traumes sehen. Und was das Schöne daran ist: Ich darf es mit meinen Kindern (15 und 10 Jahren) erleben - und ihnen bleibt diese Erfahrung im Teenageralter erspart.

 

Ja, mir ist schon klar, dass es nur Fußball ist. Aber irgendwie doch auch so viel mehr als das. Holen wir uns endlich dieses Ding – es würde sich für mich irgendwie der Kreis schließen.